Mit Reethalmen den verlorenen Lebensraum ersetzen
Mit Reethalmen den verlorenen Lebensraum ersetzen
Forscher sprechen von einem „Weckruf“, Naturschützer mahnen „Es ist fünf vor zwölf für unser Ökosystem.“ – Neue Studien zum Insektensterben sorgen seit Wochen für Schlagzeilen in den Medien. „Was können wir tun“, fragen sich immer mehr Menschen, darunter auch und vor allem die Jüngsten. „Insektenhotels bauen“, das ist eine Möglichkeit, die jede Familie mit ein wenig Geschick in die Tat umsetzen kann. Ein Insektenhotel ist Überwinterungs-, Nist- und Überlebenshilfe für viele Arten und eignet sich hervorragend als Weihnachtsgeschenk. Wer jetzt mit dem Basteln beginnt, kann bis zum Fest jede Menge nützlicher Herbergen gegen das Artensterben fertigstellen. Das ist wichtig, weil vielen Insekten die natürlichen Lebensräume wie Lehmhänge oder Totholz verlorengegangen sind.
Unbehandeltes Reet liefert die richtigen „Röhren“ für die Insekten
Der Bau von Insektenhotels ist ganz einfach, und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Je nach handwerklichem Geschick kann eine solche Herberge anwachsen oder nur aus einem Zimmer bestehen. „Schon ein Bündel Schilfhalme kann als Nisthilfe und Winterruhe für Insekten dienen“, empfiehlt der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz). Dafür bietet das 1833 gegründete Traditionsunternehmen Hiss Reet Schilfrohrhandel GmbH, Bad Oldesloe, jetzt spezielles Reet für Insektenhotels an, das unbehandelt ist und in verschiedenen Durchmessern erhältlich. Es eignet sich hervorragend für die „Möblierung“ des selbstgebastelten Lebens- und Nistraums. Das „Innenleben“ des Insektenhotels sollte möglichst abwechslungsreich sein, um möglichst vielen Arten zu helfen: Daher eignet sich Reet besonders gut, denn es lassen sich verschieden große „Niströhren“ für unterschiedliche Arten zusammenstellen und befestigen.
Neben Reet lassen sich Holzreste als „Möblierung“ verwenden
Als Rahmen für ein Insektenhotel eignet sich ein aus Restholz gebauter Kasten oder sogar eineSchublade. Wichtig ist dabei, dass das Holz nicht mit chemischen Mitteln behandelt ist und auch die Füllmaterialien – wie das Reet – naturbelassen sind. Das Hotel sollte überdacht sein oder später unter einem Dachüberstand aufgehängt werden, damit der künstliche Lebensraum nicht der Witterung ausgesetzt ist, und an der Sonnenseite eines Gartens oder des Balkons aufgehängt werden. Wer zusammen mit Kindern bastelt, kann ihre Ideen zur „Möblierung“ aufgreifen und das Insektenhotel als Blickfang gestalten: Neben dem Reet, das unter Sonneneinstrahlung später eine schöne silbrige Patina bekommt, eignen sich z.B. durchbohrte Holzklötze: Die Bohrungen sollten dabei 3-6 Zentimeter Durchmesser aufweisen und in der Tiefe die volle Bohrerlänge umfassen. Gut verwenden lassen sich auch durchbrochene Ziegelsteine oder mit Holzwolle gefüllte Miniblumentöpfe. Bauanleitungen sind auf den Homepages der großen Naturschutzverbände wie BUND oder Nabu kostenlos erhältlich.
Erster Insektenhotelbewohner ist die Rote Mauerbiene
Und wer wird sich im kommenden Jahr in den Reet- oder Holzröhren des Insektenhotels einnisten? Als erste findet sich meist die Rote Mauerbiene ein. Es folgen Löcher- und Scherenbienen, Blattschneider-, Masken-, Pelz- und Seidenbiene sowie weitere Arten, die sich dann im Sommer gemeinsam mit den Kindern beobachten lassen. Insektenhotels sind auch deswegen so wichtig, weil ihre Wildbienen-Bewohner viel effektiver Pflanzen bestäuben als die herkömmlichen Honigbienen. „Die wildlebenden Insekten sind effizienter“, hat Ingolf Steffan-Dewenter vom Biozentrum der Universität Würzburg herausgefunden. Das können sie aber nur sein, wenn der Garten rund um das Insektenhotel naturnah gestaltet ist. Als Ambiente sollten Familien auf naturbelassene Ecken, Wiesen mit einem insektengerechten Blühangebot, auf Hecken sowie alte, morsche Bäume und Äste achten.
Wichtige Tipps für „fliegende Stammgäste“ im Insektenhotel
Familien, die sich jetzt an das Basteln eines Insektenhotels wagen und damit ihre Kinder an Umweltbildung heranführen, sollten aber einige Punkte beachten: • nicht geeignet für das Innenleben von Insektenhotels sind Glasröhrchen zum Beobachten der Tiere, da darin die Wildbienenbrut verpilzen und absterben kann. Also besser: Reetstängel statt Glas • Holzbohrungen nicht zu dicht nebeneinander ausführen und gut abgelagertes Holz verwenden. Wildbienen meiden rissige „Unterkünfte.“ • Das Insektenhaus sollte in mindestens einem Meter Höhe an einer sonnigen Wand angebracht werden. Es eignet sich ein regen- und windgeschützter Standort mit „freier Flugbahn.“ • Insektennisthilfen sollten über Jahre am gleichen Ort bleiben, also auch im Winter – für die geflügelten „Stammgäste.“
HINTERGRUND
Das sind die neuesten Erkenntnisse zum Insektensterben
In der Bundesrepublik sind seit 1989 drei Viertel der Insektenmasse verlorengegangen. Das belegt eine neue Studie der Universität Nijmegen. 27 Jahre lang wurden dafür in 63 deutschen Naturschutzgebieten fliegende Insekten in Fallen gefangen und gewogen. Die Forscher gehen davon aus, dass ihr „Weckruf“ für ganz Europa gilt. Besonders bedroht, so die Studie, sind in Deutschland die Wildbienen: 570 Arten gab es einmal hierzulande, 39 davon sind in den vergangenen Jahrzehnten bereits ausgestorben. Die Forscher sehen im Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft eine der Hauptursachen für das Artensterben, fordern aber auch eine bessere Vernetzung von Biotopen, mehr Biolandwirtschaft und Vielfalt in Gärten und Parks. Die Insekten stellen nicht nur für das sie umgebende Ökosystem, sondern auch für die Landwirtschaft einen erheblichen Wert dar: Die Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen wird weltweit von Experten auf dreistellige Milliardenbeträge beziffert. Insektensterben hat auch Auswirkungen auf die Tierwelt. „Die Artenvielfalt ist akut bedroht. Die Bestände von Feld- und Wiesenvögeln, von Insekten und auch dem Feldhamster gehen stärker zurück“, warnt das Umweltinstitut München e.V.